Montag, 1. Juli 2013

Kleinkrämertrauma

Eine Frage der Perspektive? Ja, doch, eigentlich stimmt das. Es kursieren hier in Buenos Aires ja Gerüchte, dass ich aus der Schweiz stamme. An jedem Gerücht ist ein Teilchen Wahrheit dran, bei diesem wohl, dass ich wirklich von dort komme. Das Munkeln geht aber weiter, nämlich ich lebe in den Bergen, links wie rechts ein 4000-er vor der Nase, wenn ich am frühen Morgen Wasser aus dem Brunnen Wasser schöpfen gehe.
Blick aus dem Plumpsklo hinterm Brunnen 
Die mitleidigen Gesichter entspannen sich dann aber bald, wenn ich ihnen erzähle, dass ich nun in Buenos Aires wohne. So sei ich endlich in der grossen Welt angekommen, im Zentrum. Bis anhin dachte ich das immer, wenn ich mit dem Zug in Zürich einfuhr - am Nabel der Welt. Weit verfehlt, mit Buenos Aires sei ich bereits in meinem jungen Alter am Zenit angekommen. Okay - verstanden - akzeptiert.
Grössenwahn? ach ne, dank eines lieben Freundes habe ich verstanden, was passiert, ich scheine argentinisiert zu werden. Ich dachte ja noch, dass sei schon geschehen. Auf meinem Weg zum Argentinier musste ich einige meiner lieb gewonnen Eigenschaften abstreifen. Der Prozess sei aber weit subtiler.
Plötzlich ist einem nichts mehr zu gross. Man schreitet mit einer kühnen Selbstverständlichkeit durchs Leben.
Grössenverhältnis 
Anstatt am Fuss des Berges zu stehen, befindet man sich unvermittelt auf dessen Spitze und überblickt das Geschehen und was geschehen ist.
Weit...
...und weiter
Man isst keinen einfachen Pancho mehr, sondern nur noch Super-Panchos mit Lluvia (= Brot mit Würstchen, garniert).
Super
Steht man dann aber aus alter Gewohnheit plötzlich morgens am Wasser und bemerkt, dass das zu schöpfende Wasser einen allzu salzigen Beigeschmack hat, kommt das Bewusstsein zurück. Na ja, Weite, Grösse ist ganz schön, doch nur ein breiter Horizont lässt nicht mehr erkennen...

Mehr oder weniger
An dieser Stelle, merci CW für die schönen Bilder. Und ein ganz spezieller Dank geht an Herrn T., der mich so vortrefflich fotografiert hat!!