Wertes Volk, mir kommt Eure Bezeichnung nur allzu oft unter die Augen. Erklärt mir, dem Narren, doch bitte wer Ihr seid.
Man sagt ja bekanntlich, dass die Identitätsprobleme in der Pubertät auftauchen. Anscheinend bin ich ein Spätzünder oder ich komme ins Zweifeln, da mir ans Herzen gelegt wird, nun Argentinier zu sein. Aber um ganz ehrlich zu sein, mag ich schlicht dieses Wort Volk nicht. Deshalb entschuldigt mich bitte bereits jetzt, wertes Volk.
Bist du es Volk? |
Aber irgendwo bin ich doch auch mit dabei, zumindest bei einer Gemeinschaft (rein mathematisch sicherlich). Vielleicht hilft mir die Sprache weiter. Wenn es auch keine gemeinsame gibt, so haben sie immerhin Gemeinsamkeiten. Übersetze ich das Wort Volk in die Sprachen, die mir geläufig sind, finde ich eine Parallele, die Nation. Also gehöre ich zu einer Nation! Wieso nicht, habe ich mir doch erst kürzlich eine neue Nationalität zu getan. Wie es englisch so schön heisst, habe ich mich naturalisiert. So gehöre ich nun zum argentinischen Volk. Meinen roten Pass habe ich aber auch noch hier. Hmm? zuerst habe gar kein Volk und jetzt plötzlich zwei. Ist denn dieses leidliche Volk etwa die Zugehörigkeit zu einem Staat? dem Schweizerischen oder Argentinischen?
Volk? |
Was bleibt? Na ja, schauen wir die Geschichte mal an, gemeinsame oder nicht. Wir leben in einer Welt, die von stetiger Migration geprägt ist, weit über meine knappen dreissig Jahren und ebenso dem Alter des Nationalstaates hinaus. Sei es im kleinen von der Langstrasse Nr. 12 zur Nummer 143 oder auch weit, zum Beispiel über die Ozeane nach Südamerika oder die Fidschiinseln. Bewegt, entwickelt haben sich alle, wo wir momentan leben entspricht eher einem Zufall. Und so bevölkern wir fröhlich die Welt. Von Nation bleibt da wenig, nur, dass wir uns stets in einem nationalen Territorium befinden. Wer dort lebt würde ich dann doch weit lieber als Bewohner oder meinetwegen Bevölkerung bezeichnen. Quasi ein bürgerlicher Nationalismus, da man unter einem politischen System lebt (das kennt immerhin jeder), das den Zivilbürgern Rechte und Pflichten aufgibt, mit etwas Glück durften die Bürger sogar bestimmen was für Regeln herrschen (wo wir bald zur Frage der Stimmberechtigung von nicht naturalisierten, also Ausländer, sprich Immigranten kommen, aber dazu vielleicht später Freunde der Demokratie). Oder doch - sprechen wir darüber. Wo wir hier über Gemeinschaft diskutieren. Wenn wir schon Gemeinsamkeiten suchen, dann bitte konsequent. Da lebt jeder von uns, wertes Volk, in selbst erdachten Staatsgrenzen. Wieso sollen die Rechte vor Grenzen und Nationalitäten Halt machen. Was sind schon Volksrechte, wenn es das Volk nicht gibt? Lassen wir das Volk und die vergebliche Suche danach. Liegt es nicht näher an das Konzept Mensch zu glauben und auf Menschenrechte zu setzen? Denn wir wissen ja nie, auf welcher Seite von welcher Grenzer wir morgen aufwachen werden.
Unauffindbar |
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